Mittwoch, 15. Januar 2014

Die unsichtbaren Leiden des Neuzeitdiabetikers - heute: Basalratentest

Diabetes ist anstrengend. Nicht, weil ich mir mehrmals täglich in den Finger pieksen, Tag um Tag mit einer Kanüle im Körper rumrennen und immer an "diese Pumpe da, mit dem Schlauch" gefesselt sein muss. Das ist Alltag und Gewohnheit, und wer jetzt sagt "Nee, also das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen", der lasse sich gesagt sein: Wenn dein Leben davon abhängig wäre, dann könntest auch du dich dran gewöhnen. Ganz einfach.
Viel eher sind es diese unsichtbaren Begleiterscheinungen, die der Diabetes so mit sich bringt. Diese Reihe soll sie nach und nach aufdecken, erklären und knallhart mit ihnen abrechnen.

"Ach, ich finde ja, mit Diabetes kann man heutzutage ganz gut leben. Und überhaupt, diese Pumpe da...damit musst du doch garnichts mehr machen. Die macht doch eh alles alleine." So oder so ähnlich hört sich das an, wenn Halbwissen auf das Bedürfnis trifft, irgendwas zu sagen, um sein Mitgefühl für einen Pumpi auszudrücken. Was lieb gemeint ist, kommt meist anders rüber.
Ja, es stimmt, verglichen mit der Zeit, in der es noch keine Insulintherapie gab, und sogar verglichen mit der Zeit, in der das Insulin noch mit furchterregend langen und dicken Spritzen unter die Haut gebracht wurde, haben wir Neuzeitdiabetiker mit unseren technischen Spirenzchen es gut. Sehr gut sogar! Auch "diese Pumpe da" erleichtert mir und vielen anderen das Leben und macht die punktgenaue Einstellung der Blutzuckerwerte einfach.

Moment...habe ich da gerade "einfach" geschrieben? Lasst mich das etwas präzisieren:

Ist alles eingestellt und -  noch wichtiger - sind alle Einstellungen in der Pumpe richtig (und der Pumpenträger mit dem System vertraut), dann erleichtert die Pumpe die Insulintherapie erheblich, ja.
Nur was ist, wenn die Einstellung nicht (mehr) passt? Der Stoffwechsel (und somit auch der Inuslinbedarf) ist ein komplexes System, das immer im Wandel ist und somit nie gleich oder absolut regelhaft. Für die Insulintherapie bedeutet das ein ständiges Beobachten, Ausprobieren und Anpassen. Eine Art dies zu tun ist der Basalratentest. Ja...ist genauso dröge wie es jetzt klingt. Echt!

Ich hatte ja schon einmal von der genau anpassbaren Basalrate geschrieben, bei der stündlich kleinste Mengen Insulin abgegeben und der BZ so reguliert wird. Tolle Sache, aber erst wenn die individuell  passende Basalrate ausgetüftelt ist. Und das geht so:
Es wird ein Zeitraum abgesteckt in dem die akutelle Basalrate auf ihre Funktionalität überprüft werden soll. 4-6 Stunden vorher (anhängig von Nahrung und Insulin) wird die letzte Mahlzeit eingenommen und zum letzten mal Essensinsulin abgegeben. Zum Beginn der geplanten Testphase wird der BZ gemessen. Liegt dieser im Zielbereich (90-150mg/dl ist der Zielbereich, den meine Praxis vorschlägt, andere Praxen, andere Werte!), kann der Test beginnen. Dann wird über einige Stunden nichts gemacht (kein Essen, kein Sport, keine andere Bewegung, kein Garnix!)  und stündlich der BZ gemessen. Bleiben die Werte kostant passt die Basalrate, wenn nicht, weiß man, dass nach oben oder unten nachreguliert werden muss.

So wie war das mit dem Schema-F? Ja richtig, nur weil es eins gibt, heißt das nicht, dass es auch klappt. Und so ist es (bei mir zumindest) hier leider meistens. Man bereitet sich super genau auf den Test vor, die Startbedingungen scheinen diesmal wirklich erfüllt zu werden. Und dann...Unterzucker, Überzucker, Kasalla und Trallafitti - und das (scheinbar) unbegründet. Klasse! Für jeden dieser  misslungenen Versuche haut man Zeit, Teststreifen (Geld!!) und gute Laune zum Fenster raus. Vielleicht hat man extra für den geplanten Basalratentest am Vorabend auf Sport verzichtet (das darf man nämlich auch nicht!) und ärgert sich jetzt riesig. Vielleicht hat man der besten Freundin für das gemeinsame Mittagessen beim Lieblingsasiaten abgesagt, um den Test zu machen, nur um dann festzustellen, dass der Test ins Wasser fällt, die beste Freundin aber längst was anderes vorhat. Vielleicht hat man zum Freund am Abend gesagt "Heute nur kuscheln!", weil man geplant hatte über Nacht einen Basaratentest zu machen, nur um dann um 0 Uhr, wenn der Freund schon schläft, festzustellen, dass der Startzucker zu hoch ist. Und das will nun wirklich keiner. Schade, Schokolade!

Also bitte, bevor ihr das nächste Mal (und sei es aus purer Nettigkeit, oder einfach nur weil ihr nicht wisst, was ihr sagen sollt, um eurem Mitgefühl Ausdruck zu verleihen) zu einem Satz wie "Ach, aber damit kann man doch heute gut leben..." ansetzt, denkt an diesen Artikel und fragt euch, ob das eurer Einschätzung nach "gut leben" ist. Manchmal ist schweigen eben doch noch gold! :)

Bald mehr zum Thema "Die unsichtbaren Leiden des Neuzeitdiabetikers".
Habt einen wunderbaren Tag!

A

1 Kommentar:

  1. Das hast du sehr schön geschrieben.

    Ich bin nun seit 5 Jahren dabei, ich hab 2 kleine Kinder und an Tagen, an denen ich mich frage, ob sie etwas das gleiche Schicksak ereilt oder ich irgendwann nicht mehr für sie da bin,oder wenn es mir einfach mal schlecht geht... will ich sowas wie "damit kann man heute..." nicht hören.

    Natürlich kann man das, aber man könnte ohne noch viel besser leben ;)

    So genug gemeckert: Dir alles liebe !

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